marcostoehr
Flugzeuge Merzbrück

10 Minuten Pilot

“Übernimm Du mal das Steuer, ich will auch ein paar Bilder machen!” sagte mein damaliger Chef und dann war ich für rund 10 Minuten Pilot. Meine Flugerfahrungen bis dahin: wilde Flugmanöver im Microsoft Flight Simulator 98 am heimischen PC.

Von der Fliegerei begeistert

Schon als Kind war ich von der Fliegerei begeistert, besuchte einige Flugausstellungen und Flughäfen mit meinen Eltern. Ich las Bücher über Jungs, die Fliegen lernten und spielte neben den obligatorischen Matchboxautos auch mit kleinen Flugzeugen. Als Schüler stieg ich zusammen mit einem Kumpel dank Ferienticket in Aachen in den Bus und fuhr zur Nato-Airbase nach Geilenkirchen, wo die AWACS-Flieger stationiert sind. Dort freute ich mich wie Bolle, wenn nach gefühlten Stunden mal eine der riesigen Maschinen des Typs Boeing mit ihren charakteristischen “Salatschüsseln” auf dem Dach auftauchten, um hinter dem Zaun zu starten oder zu landen.

Später als mobiler Mensch wurde dann des Öfteren der in Würselen bei Aachen liegende Flugplatz Merzbrück frequentiert, um dort die einmotorigen Maschinen zu beobachten. Und ich begann mich für einen Flugschein zu interessieren. Ein Vorhaben, dass durch die nicht unerheblichen Kosten schnell wieder auf Eis gelegt wurde. Abgesehen von ein paar Linienflügen als Passagier war es das mit der Fliegerei. Bis zum eingangs erwähnten Szenario.

Wie es zum Flug kam

Dessen Entstehung ist schnell erzählt: Ich arbeitete in einer Immobilienfirma und mein damaliger Chef war Inhaber einer Privatpilotenlizenz. Zudem war er der Meinung, dass von oben fotografierte Häuser ein toller Effekt für die Exposés sein würden. Außerdem brauchte er die Flugstunden zum Erhalt seines Flugscheins. Das zeigte leider auch, dass er nicht häufig zum Fliegen kam und ließ eine gewisse Ungeübtheit erwarten – und das zu Recht. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich über die Tragflächen einstieg und es hinter uns noch zwei Sitze gab. Das legt die Vermutung nah, dass es sich bei “unserem” Flugzeug um eine Piper PA-28 handelte.

Flugplatz Merzbrück Gebäude
Tower und Hangar am Flugplatz Merzbrück (Aachen / Würselen)

Kaum auf dem “Beifliegersitz” der Einmotorigen Platz genommen, fiel mir sofort der rote Knopf am Steuer auf. Durch amerikanische Fernsehserien versaut fragte ich nach, ob wir auch genügend Raketen an Bord hätten, was lachend mit der Information abgetan wurde, dass man damit den Funk steuert. Kommuniziert man sonst nur intern über die beiden Headsets, kann man durch Drücken des Knöpfchens nach “draußen” sprechen.

Das erfolgte dann auch prompt, um die Flugfreigabe beim Tower einzuholen. Wir rollten zur Start- und Landebahn, warteten noch einen landenden Flieger ab und stellten uns auf. Dann ging es los und nur kurze Zeit später kreisten wir über Aachen. Ich konnte mich kaum orientieren, lief oder fuhr sonst durch die Straßen, die ich nun von oben sah. Markante und vor allen Dingen große Gebäude halfen bei der Orientierung und ich begann damit, irgendwelche Häuser zu fotografieren. Bis zum ersten Satz dieses Beitrags.

Ich übernahm das Steuer

“Übernimm Du mal das Steuer!” ist jetzt nicht so der Satz, den mal als Passagier erwartet. Beide Hände greifen nach dem Steuer und halten es einfach nur ruhig. Für 10 Minuten bin ich Pilot. Der Blick wandert zwischen den teilweise aus dem Flugsimulator bekannten Instrumenten und der Frontscheibe hin und her. Mein Chef erzählt etwas von “künstlicher Horizont” und “gerade halten” und fängt an zu fotografieren. Als ich sehr begeistert bin, dass ich immerhin geradeaus ein Flugzeug steuere, kommt das nächste Kommando: “Flieg mal eine Rechtskurve!”

Etwas erschrocken über das plötzliche Auftauchen der neuen Herausforderung mache ich das, was ich mit dem Lenkrad im Auto auch mache: nach rechts drehen. Die Grundidee ist auch nicht schlecht, nur leider sinkt das Flugzeug nun, wenn auch nicht ganz so schnell wie ein japanischer Kamikazebomber beim Angriff. “Leicht zurückziehen während du lenkst!” lautet die nächste Ansage von links. Ich tue wie mir befohlen und fliege eine halbwegs passable Kurve.

Als ich wieder geradeaus fliegen soll, klappt dies ganz gut. Mein Chef, vom Fotografieren ganz abgelenkt, bekommt nicht mit, dass ich nach dem Ausrichten der Maschine direkt auf einen Heißluftballon zusteuere. Meine Frage nach den Vorfahrtsregeln im Luftverkehr wird mit “Du musst ausweichen, er kann ja nicht.” beantwortet. Also fliege ich erneut eine Kurve und das diesmal sogar ohne den Sturzflug einzuleiten. Meine 10 Minuten als Pilot enden wieder.

Spannendes Ende des Flugs

Mein damaliger Chef übernahm wieder, denn es ging an die Landung und die wollte er natürlich selbst durchführen. Im Nachhinein betrachtet bin ich mir nicht sicher, ob das so eine gute Wahl war. Denn kaum das Räder nach einem unruhigen Landeanflug den Boden berührten und mein Chef zu bremsen begann, wurde es laut im Funk. Ich höre etwas von “BAHN RÄUMEN!” und dann eine andere Stimme “Ich starte durch!” brüllen. Kurz darauf fliegt eine weitere Einmotorige knapp über uns hinweg und ich konnte genau die Profiltiefe der Reifen erkennen.

Es war auf jeden Fall cool und sollte jemals die gesamte Crew einer Boeing wie in Hollywoodfilmen üblich ohnmächtig werden, würde ich… ach nee, besser nicht.

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